Leider muss ich mir behelfen, da ein Großteil meiner Arbeit verloren gegangen ist. Ich mache es neu – diesmal in Etappen.
Bevor ich an die Beantwortung der anderen Post gehe, möchte ich erstmal mir selbst eine klare Antwort auf meine folgende Frage geben:
Quote:
Originally Posted by McSeafield
Beim Roulette kann man die Bank im folgenden Sinne als anderen Spieler begreifen. Beispiel einfache Chance:
Ich gewinne mit 18/37
der andere Spieler (=Haus) gewinnt mit 18/37
und das Haus (nicht der andere Spieler) gewinnt mit 1/37 (Zero-Fall)
Wo ist hier der wesentliche Unterschied zu einem Heads-Up-Pokerspiel?
Beim Roulette spiele ich gegen einen Gegner (den anderen Spieler), der über nahezu unbegrenztes Kapital verfügt und keine Nerven hat. Ich kann beliebig aussetzen und fortsetzen. Der Gegner muss jeden beliebigen Einsatz annehmen und spielt immer gegen die Chancen, die ich setze. Der Erwartungswert eines Gesamtverlustes beträgt bei einfachen Chancen EV = NS/74 bzw. 1,35% aller getätigten Einsätze und die Standardabweichung SD = 0,9897*S*Wurzel(N). Unter Anwendung der sog. 3Sigma-Regel liegt der Verlust mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,73% zwischen den Grenzen EV – 3sigma und EV + 3sigma. Betrachtet man die Nicht-Überschreitung dieser Grenzen als nahezu sicher, so ist der minimal zu erwartende Verlust EV – 3sigma. Das Nullsetzen dieser Gleichung ergibt 48.276. Das ist die Anzahl der Spiele, nach denen es praktisch sicher ist, dass ein Roulettespiel beim Spiel auf einfache Chancen masse egal einen Verlust erlitten hat.
Poker ist ein grundsätzlich etwas anderes Spiel. Ich spiele gegen menschliche Wesen, die in der Summe aller Fähigkeiten stärker, schwächer oder in etwa gleichstark sein können. Der Gegner muss nicht jeden Einsatz annehmen. Er kann folden, checken, betten, raisen oder auch re-raisen etc. Es gibt mehrere Setzrunden in denen sich der Bietprozess jeweils wiederholt. Am Ende gewinnt der Spieler, der den letzen Einsatz tätigt oder die beste Hand hat. Das Problem jeder weiteren Berechnung ist, dass es bei jedem Spiel unterschiedliche Einsätze gibt. Ich muss mir also für weitere Berechnungen mit einem durchschnittlichen Einsatz behelfen. Das Interessante ist genau betrachtet aber die Tatsache, dass die eigenen Einsätze dem Rake unterliegen. Das ist der eigentliche –EV, den ich bei jedem Spiel erwarten muss. Nebenbei sei bemerkt, dass sich der prozentuale Anteil des Rakes bezogen auf meinen Gewinn zumindest beim Heads-up verdoppelt. Bei einem 5% Rake beträgt der Rakeanteil bezogen auf den Gewinn pro Spiel sogar 10%. In der Praxis wird das Rake aber oft gekappt. Wenn ich deshalb hier von durchschnittlich 3,5% Rake ausgehe, ist der Gewinn pro Spiel mit nahezu 7% Rake belastet. Wenn ich unterstelle, dass beim Heads-up in etwa gleichstarke Spieler gegeneinander spielen, beträgt der Erwartungswert eines Verlustes bezogen auf den durchschnittlichen Einsatz ca. EV = -0,5S + 0,5S – (0,035 *2S)*0,5 = -0,035S = S/28,5 bzw. 3,5%. Der Erwartungswert eines Gesamtverlustes beträgt somit EV = NS/28,5.
Anmerkung: Die allgemeine Formel zur Berechung des EV beim Poker lautet immer wie folgt:
EV = - durchschnittlicher Einsatz * Chance, das Spiel zu verlieren + (Gewinn – Rakeprozentsatz * Pottgröße) * Chance, das Spiel zu gewinnen. Das Ergebnis ist immer das gleiche. Bei einem Rakeprozentsatz von 3,5% ist der EV = –S/28,5. Das heißt ich verliere bei jedem Spiel immer die 3,5% von meinem Einsatz, ähnlich wie beim Roulette.
Egal wie ich jetzt weiterrechne. Es ist praktisch sicher, dass jeder der beiden Heads-up-Spieler unter der Annahme gleichstarker Spieler erheblich schneller als beim Roulette beim Spiel auf einfachen Chancen einen Verlust erleidet. Beide Spieler werden nach einer bestimmten Anzahl von Spielen, die deutlich unter 40.000 Spielen liegt, im Verlust stehen. Die Rechnung fällt somit deutlich schlechter aus als beim Roulette beim Spiel auf einfache Chancen.
Damit ist Poker für mich nicht das bessere, sondern grundsätzlich betrachtet das schlechtere Spiel. Das ist die Wahrheit, die sich jeder Pokerspieler hinter die Ohren schreiben sollte. Das Problem ist nur, dass sich die Wahrheit nicht so leicht berechnen und erkennen lässt und Pokerspieler von dem Irrglauben ausgehen, sie seien von dem –EV Problem, wie es beim Roulette vorhanden ist, nicht betroffen. Tatsächlich ist Poker ein Spiel mit deutlichem –EV das unter ganz bestimmten Voraussetzungen von +EV Entscheidungen überlagert sein kann. Die Chancen, dass einer der beteiligten Spieler aufgrund der Kartenverteilung eine +EV Entscheidung machen kann, sind aber auf alle beteiligten Spieler gleichverteilt, so dass ich die sog. +EV Entscheidungen unter diesem Gesichtspunkt auch ignorieren kann. Nur dann, wenn am Tisch ständig ein ausbeutbarer Spieler sitzt, der entweder besoffen oder deutliche Skilldefizite hat, kann Poker zum profitablen Spiel werden. (Unter solchen oder ähnlichen Annahmen, kann ich auch Roulette zum profitablen Spiel machen, indem ich z.B. annehme, dass im Kessel Staub liegt und eine bestimmte Luftfeuchtigkeit hinzukommt, was bewirkt kann, dass bestimmte Zahlen nicht mehr oder zumindest unterdurchschnittlich oft erscheinen oder ein fast eingeschlafener Croupier nicht bemerkt, dass er die Kugel immer im gleichen Rhythmus in fast den gleichen Bereich wirft). Auf andere Möglichkeiten, wie Betrug etc. möchte ich hier nicht weiter eingehen.
Statt einen StB zu befragen, sollten Pokerspieler besser einen Mathematiker befragen, der diese Wahrheit exakt und genau vorrechnet. Leider ist das auch für einen Mathematiker nicht ganz so einfach, weil sich bestimmte Spielmethoden nicht mathematisch erfassen und analysieren lassen, so dass eigentlich nur eine Computersimulation wirklich weiterhilft. Ich empfehle nochmals Turbo-Texas Hold’em oder ähnliche Programme zu verwenden, bei denen die Auswirkung des Rakes erkennbar ist und eine Simulationen mit mind. etwa 50.000 - besser 100.000 bis 200.000 - Spielen. Ich selbst habe solche Simulationen noch nicht durchgeführt, aber ich werde das mit Sicherheit noch nachholen.
Fortsetzung folgt.