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Originally Posted by madlex
Sofern der Hobbyspieler nicht als Gewerbetreibender eingestuft wird, ist die USt. Debatte für ihn hinfällig.
Das ist definitiv nicht so einfach, wenn sich das Konstrukt vom umsatzsteuerlichen Leistungsaustausch, den Pokerspieler angeblich haben sollen, durchsetzen würde. In § 2 (1) 3 UStG steht wörtlich eine ziemlich weite Definition, die auch sehr weit ausgelegt wird: "Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt ...". Da das alles im Bereich von Glückspielen sehr schwammig ist und die Richter das auch wissen, versuchen sie besondere Kriterien für den sog. "Berufskartenspieler", herauszuarbeiten, die auf konkrete nachhaltige Einnahmeerwartungen abzielen (auf nachhaltige Gewinne kommts umsatzsteuerlich nicht an. Öfter gespielt, dicke Einnahmen erzielt, an die große Glocke gehängt und danach wieder alles verloren, reicht).
In diese Ecke darf man sich nicht drängen lassen, weil auch ein Nebenberuf als Kartenspieler ausreichen würde (siehe Hobbyspieler ES). Man muss imo voll auf den unterstellten Leistungsaustausch schießen. Es gibt viele gute Gründe, warum die spieltechnischen Besonderheiten des Pokerspiels nicht dem Leitbild eines wechselseitigen umsatzsteuerlichen Leistungsaustausches entsprechen. Man kann auch begründen, warum beim Poker nur der Veranstalter eine umsatzsteuerliche Leistung erbringt und die Pokerspieler reine Konsumenten sind. Der Veranstalter bietet das Spielangebot an und vereinnahmt regelmäßig aus den Gewinnen eine genau festgelegte Gebühr, das Entgelt für die Leistung, die er erbringt. Diese Gebühr ist im Regelfall bereits höher, als der Bruttoertrag, den ein Casino bei vergleichbaren Glückspielen erzielt. Würde man die Gewinne der Pokerspieler auf der Ebene der Spieler einer zusätzlichen Umsatzsteuer unterwerfen, läge eine umsatzsteuerliche Doppelbelastung vor und das Spiel wäre binnen kürzester Zeit kaputtbesteuert, weil das Spiel keine 20%-ige Abgabenbelastung auf einzelne Spielgewinne verträgt, wenn die zu erwartenden und so gut wie sicheren Spielverluste, die auch "Könner" haben, nicht angerechnet werden können.
Wer sich mit diesem Urteil detailliert auseinandersetzt, muss sich auch mit der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie und einigen EuGH-Urteilen zur Umsatzbesteuerung von Glückspielen mit Geldeinsatz (Automatenrechtsprechung) beschäftigen. Das Thema ist insgesamt ziemlich komplex und kompliziert. Aus meiner Einschätzung ist fast jeder normale Rechtsanwalt oder Steuerberater damit überfordert. Es sollte ein absoluter Umsatzsteuerspezialist machen, der sich im Glückspielrecht gut auskennt und auch die einschlägige EuGH- und BFH-Rechtsprechung sehr gut kennt. Von solchen Spezialisten gibt es in Deutschland leider nicht viele.