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Originally Posted by Poldi
Von daher hoffe ich stark, dass sich die Zeitungsartikel und die Werbung mancher Pokerseiten sich nicht allein auf dieses Urteil stützen, wenn sie sagen dass die Gewinne nach EU-Recht für ALLE europäischen Spieler steuerfrei sein sollen.
Als europäische Regelung haben wir aus meiner Sicht bislang nur das Lindman-Urteil (das zum schwedischen Lotto durch eine finnische Lotto-Spielerin ergangen ist und imho ausnahmslos alle Glückspiele betrifft) sowie die allgemeinen EU-Regelungen, wie z.B. Dienstleistungsfreiheit, die dieses Urteil anspricht. Es gibt nach meinen Erkenntnissen keine spezielle EU-Regelung, welche allein Poker betrifft oder die besagt, dass die Gewinne aller europäischen Spieler steuerfrei sein sollen. Soweit wir also hier über eine EU-Regelung sprechen, haben wir aus meiner Sicht nur das Lindman-Urteil und dieses ist auch für Poker anwendbar, soweit wir davon sprechen, dass Poker ein Glückspiel ist.
In Schweden wird das Lindman-Urteil ausnahmslos auch für alle Profi-Pokerspieler angewendet. Es wird nicht danach differenziert, ob der betroffene Pokerspieler ein Gewinner oder Verlierer ist. Soweit in Schweden die Pokergewinne aus außereuropäischen Casinos oder von außereuropäischen Poker-Webseiten pauschal mit 30% (ohne Aufwands- und Verlustberücksichtigung) besteuert werden, ist dies eine Spezialität im schwedischen Steuerrecht, die nur für Schweden gilt.
Es gibt auch im europäischen Recht einen stark ausgeprägten Gleichbehandlungsgrundsatz (ähnlich wie im deutschen Steuerrecht auch). Dieser Gleichbehandlungsgrundsatz bedingt, dass das Lindman-Urteil in allen europäischen Ländern zur Anwendung kommt und er bedingt weiterhin, dass es keine unterschiedlichen Wertungen für gleiche Sachverhalte gibt. Ein Systembruch (Verstoß gegen den Gleichheitssatz) wäre nur gerechtfertigt, wenn sachliche Gründe für eine Wertungsdifferenzierung vorliegen (insbesondere in Fällen von wertungsmäßig atypisch liegenden Tatbeständen). Wenn der deutsche Staat den europäischen Gleichbehandlungsgrundsatz aufweichen will, dann müsste er also z.B. mit sachlicher Begründung nachweisen, warum für bestimmte deutsche Profi-Pokerspieler atypisch liegende Tatbestände vorliegen, also warum sie kein Glückspiel betreiben und besser Poker spielen bzw. nachhaltigere Gewinne erzielen, als schwedische Profi-Pokerspieler, für die das Lindman-Urteil maßgeblich ist.
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Originally Posted by Poldi
Im Endeffekt bedeutet das aber nur, dass die Steuerregelung genauso sein müsste, als hätte man den Gewinn in Deutschland bei einem deutschen Unternehmen/Staatskasino eingefahren.
Das siehst du aus meiner Sicht richtig. Es kann steuerlich nicht danach differenziert werden, ob ein deutscher Pokerspieler seinen Gewinn in einem deutschen Casino oder auf einer europäischen Poker-Webseite erzielt hat und der Fiskus muss alle Pokerspieler ausnahmslos gleichbehandeln. Wenn er nur bestimmte Gewinner besteuern will, dann darf es nicht darauf ankommen, woher die Gewinne stammen und der Fiskus muss außerdem sicherstellen, dass alle Gewinner nach gleichen Regeln erfasst werden. Er darf sich dann nicht nur bestimmte Gewinner heraussuchen, die er im Internet in einer Gewinnliste ermitteln kann. Er muss stattdessen sicherstellen, dass auch die regelmäßigen Casino-Pokergewinnler steuerlich erfasst werden und nach gleichen Maßstäben Steuern bezahlen.
Wenn der deutsche Fiskus im übrigen nur bestimmte außereuropäische Pokergewinne besonders besteuern will, dann muss er erst eine entsprechende Gesetzesgrundlage schaffen. Wir haben eine solche Regelung bislang in Deutschland noch nicht.
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Originally Posted by Poldi
Meine Befürchtung dabei ist, dass der Staat bei einem recht klar ersichtlichen Winner, der über mehrere Jahre hinweg nur sehr wenige Verlustmonate hatte und seine Gewinne relativ kontinuierlich steigern konnte, durchaus ein Gewerbe annehmen könnte. Das sieht mein Steuerberater so und nach der Antwort auf meinen 1. Post zurückzuführen wohl auch viele andere.
Das sehe ich genauso. Wenn der Sachverhalt so glasklar auf dem Tisch liegt und der Pokerspieler über mehrere Jahre von seinen Pokergewinnen gelebt hat, dann spricht sehr viel für eine Besteuerung.
Allerdings kann der Fiskus nur auf der Basis klarer Maßstäbe besteuern und er muss alle deutschen Pokerspieler nach den selben klaren Maßstäben besteuern. Er kann nicht willkürlich in jedem Steuerfall individuelle Maßstäbe setzen und sich beliebig nach freiem Ermessen nur einige Besteuerungsopfer (die zufällige gewinnenden Glückspilze auf einer Internetseite) zusammensuchen. Das Thema Besteuerungsmaßstäbe beim Poker, das ich hier anspreche, ist aus meiner Sicht sehr komplex - aus meiner Sicht fast so komplex, wie das ganze Pokerspiel. Nur am Rand möchte ich erwähnen, dass zu diesem Thema auch eine eingehende Bewertung der Kapitaleinsatzbereitschaft bzw. Risikobereitschaft gehört (Wer beim Poker nicht sehr viel Kapital und Verlust bzw. sogar den Ruin seines Lebens riskiert, hat aus meiner Sicht kaum eine Chance, beim Poker einen höheren nachhaltigen Gewinn zu erzielen).
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Originally Posted by Poldi
Nach meiner Auffassung wäre es in dem spezifischen Fall nicht diskriminierend, wenn man auch solche Gewinne aus dem Ausland besteuert. Die Besteuerung würde nicht erfolgen, weil die Gewinne aus dem Ausland stammen, sondern weil sie hier in Deutschland genauso versteuert werden müssten.
Richtig. Der Fiskus kann und darf - wenn er besteuern will - nicht danach differenzieren, woher die Gewinne stammen. Wenn er diskriminierend nur die außereuropäische Gewinne besteuern will, brauchen wir erst ein neues Steuergesetz.
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Originally Posted by Poldi
Von daher kommt es mir so vor, als würde das Lindman-Urteil nur sicherstellen, dass der Durchschnittswinner keine Steuern abführen muss. Jemandem, der über einen langen Zeitraum so kontinuierlich gewinnt, dass eigentlich klar ist, dass sein Gewinn kein reines Glück sein kann sondern von seinen besonderen Fähigkeiten abhängt, hilft das Urteil in meinen Augen nicht.
Wenn der Fiskus in diese Richtung denkt, dann sollte er seine Maßstäbe glasklar in ein Gesetz schreiben und die Voraussetzungen bestimmen, ab wann Poker für bestimmte Pokerspieler kein Glückspiel ist.
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Originally Posted by Poldi
Von daher hoffe ich stark, dass sich die Zeitungsartikel und die Werbung mancher Pokerseiten sich nicht allein auf dieses Urteil stützen, wenn sie sagen dass die Gewinne nach EU-Recht für ALLE europäischen Spieler steuerfrei sein sollen.
Die Pokerseiten können sich - wenn überhaupt - bislang nur auf das Lindman-Urteil berufen. Aus meiner Sicht machen sie mit diesem Urteil aber keine Werbung und versprechen auch nicht, dass die Gewinne nach EU-Recht für ALLE europäischen Spieler steuerfrei sein sollen. Soweit sowas passiert, dann nach meinen bisherigen Eindrücken, nur auf bestimmten englischen Affiliate-Seiten. Allgemein interessieren sich die Pokerseiten für die wirklichen steuerlichen Belange von Pokerspielern aus meiner Sicht einen Dreck. Bislang war es stattdessen ein netter Nebeneffekt, wenn winning Pokerspieler mit einem schlechten Gewissen durch die Gegend laufen und kein Interesse entwickeln, sich für die Beseitigung der bestehenden Graumarktsituation zu engagieren.
Pokerseiten machen stattdessen massiv damit Werbung, dass Poker ein Skillgame ist, bei dem man leicht gewinnen kann. Aus meiner Sicht basiert diese Werbung auf einer Lüge, die bestens geeignet ist, neben den vielen neuen Fischen, die neues Geld bringen, auch neidische Finanzbeamte anzulocken, die sich Gedanken über eine Besteuerung von Pokergewinnlern machen. Aus meiner Sicht wird die verbreitete Lüge relativ schnell wie eine Seifenblase platzen. Wenn die Gewinne von Pokerspielern irgendwann besteuert werden, dann ist Poker relativ schnell insgesamt ruiniert. Die Fische, die sich große Gewinne erhoffen, werden abgeschreckt, weil die drohende Besteuerung die letzte Hoffnung auf eine kleine (wenig realistische) Gewinnerwartung nimmt.
Im übrigen bleibe ich dabei. Poker ist aus meiner Sicht ein Glückspiel, bei dem es nachhaltig nur sehr sehr wenige Gewinnler geben wird. Das Spiel ist im Grunde überwiegend ein Teufelsspiel, bei dem man auch leicht Haus und Hof verlieren kann. Ich plädiere dafür, das wir zu einer realistischen Einschätzung finden und wir auch den neuen Fischen klipp und klar sagen, auf welches Risiko sie sich beim Poker einlassen und welches umfangreiche Wissen erforderlich ist, um ein halbwegs guter Pokerspieler zu sein. Wenn es auf dieser Basis weniger Leute gibt, die sich mit unrealistischen Erwartungen an den Pokertisch setzen, die spielenden Pokerspieler allgemein besser ausgebildet sind und lernen, mit dem vorhandenen Glückspielrisiko besser umzugehen, dann haben wir aus meiner Sicht viel erreicht und können so vielleicht erreichen, dass sich auch der Gesetzgeber mit diesem schönen Teufels-Spiel anfreunden kann.
Eine Besteuerung der echten Pokergewinnler wird es aus meiner Sicht nie geben, da Poker ein Glückspiel ist und bleibt. Eine Besteuerung ist aus meiner Sicht nicht durchsetzbar und wird von den Gerichten relativ schnell gekippt, solange nicht der aus meiner Sicht unmögliche Beweis erbracht werden kann, dass Poker unter bestimmten Bedingungen für bestimmte Pokerspieler auch ein Skillgame sein kann. Eine Besteuerung von Glückspielsgewinnen (auch soweit von Poker-Profis erzielt) ist im deutschen Steuerrecht systemwidrig. Eine Besteuerung ist aus meiner Sicht nur auf der Basis einer neuen gesetzlichen Regelungen möglich. Wir sollten alles unternehmen, um den Gesetzgeber davon abzuhalten, über eine solche Besteuerung nachzudenken.
Um zu einer realistischen Einschätzung der Gewinnaussichten beim Online-Poker zu kommen, habe ich in diesem Thread bereits die Ergebnisse eines sehr bekannten Pokerspielers zusammengetragen. Jeder, der sich dafür interessiert, kann auf highstakesdb.com sofort herausfinden, um welchen Pokerspieler es sich handelt. Nachfolgend die aktuelle Ergebnisfortschreibung.
Code:
Ergebnisse Sessions Hands kumulliert
01.01.2007 -
30.03.2009 6.524 472.998 1,860,626.44
01.04.2009 -351,782.50 9 453 1,508,843.94
02.04.2009 228,024.75 2 264 1,736,868.69
03.04.2009 116,890.50 3 76 1,853,759.19
04.04.2009 -3,717.75 6 268 1,850,041.44
05.05.2009 -432,559.25 31 867 1,417,482.19
06.04.2009 -912,280.00 10 707 505,202.19
07.04.2009 0.00
08.04.2009 -158.434.50 13 1068 346,767.69
09.04.2009 -200.000.00 3 67 146,767.69
10.04.2009 0.00
11.04.2009 -193.007.11 6 720 -46,239.42
01.01.2007 -
11.04.2009 6.583 477.488 -46,239.42
Ich frage mich, welcher deutscher Profi-Spieler von sich behaupten kann, dass er über bessere Skills als der betroffene Profi-Pokerspieler verfügt. Wenn es einige deutsche Profi-Spieler gibt, die erheblich mehr beim Poker gewonnen haben, so ist das noch kein Beweis dafür, dass sie besser Poker spielen können, d.h. über mehr Skills verfügen, und ihre Gewinne nachhaltig sind. Für mich ist das nur ein Beweis dafür, dass es auch beim Poker Glückspilze und lange varianzbedingte Gewinnsträhnen gibt, die jeder gute Pokerspieler auch mit Kapitaleinsatz und Risikobereitschaft (zumindest auf bestimmten niedrigeren Limits) manipulieren kann.
Last edited by McSeafield; 04-12-2009 at 04:10 PM.