Gleiches Problem. Die Grünen sind am wenigsten darauf vorbereitet und brauchen zudem die SPD-Mehrheit im Bundesrat, um vernünftig mitregieren zu können. Im übrigen sind sie nicht mit der FDP vergleichbar, die man mit Posten und scheinbarer Macht leicht in eine Koalition locken könnte. Niemand bei den Grünen will in die Fußstapfen der FDP treten und bei der nächsten Wahl dann kalt ruiniert werden. Die meisten Mitglieder der Grünen haben hart an einem sehr guten Parteiprogramm (wenn nicht sogar am besten aller deutschen Parteien) gefeilt und wollen nicht mit der Merkel-CDU. Das hat mir der letzte kleine Parteitag der Grünen, den ich über 6 Std. lang verfolgt habe, deutlich gezeigt. Mit Parteistragegen wie Gröhe oder Profalla würde ich mich als Grüner zudem auch nicht an einen Verhandlungstisch setzen, sondern mich eher fragen, wem man diverse Kampagnen, die kurz vor der Wahl gegen die Grünen in den Medien lanciert wurden, zu verdanken hat. Dann schon eher doch mit dem relativ harmlosen Großmaul Seehofer.
Spätestens dann käme es bei Schwarz-Grün zum großen Frust, wenn die Grünen beim Umsetzen verfolgter Ziele ständig am übermächtigen Partner scheitern und faule Kompromisse machen müssten, die das Rückrad verbiegen und vergessen machen, für was die Grünen eigentlich angetreten sind. Schwarz-Grüne Koalition ist deshalb genau wie Schwarz-Rot unrealistisches Wunschdenken CDU/CSU-naher Kreise, solange es eine wesentlich bessere Alternative gibt, die eigentlich auf der Hand liegt und zu echten Gestaltungsfreiräumen in Hinblick auf die Umsetzung grüner Inhalte führen könnte.
Quote:
"Wer nach der Wahl mit Rot-Rot-Grün an die Macht will, stirbt den Ypsilanti-Tod."
Die Aufregung in den Medien geschürt mit diversen Kampagnen wäre zunächst sicherlich groß.
Aber ein solcher Tod wäre dann nicht zu befürchten, wenn eine solche Entscheidung von der demokratischen Mehrheit aller SPD- und Grünen-Mitglieder getragen wird und sichergestellt ist, daß so die meisten politischen Zielsetzungen der Parteien als große Schnittmenge realisiert werden könnte und dabei immer ein Rückhalt durch die jeweilige Partei-Basis feststellbar ist. Wenn man eine solche Entscheidung nicht herbeiführt, weil man sich davor fürchtet oder unüberlegt gegen den Willen der Mehrheit der eigenen Parteigenossen koaliert, weil das so bequemer erscheint oder weil die große Wählermasse das offensichtlich so will, dann gibt es noch einen ganz anderen Tod, den die Parteien imo nicht mehr tragen wollen. Wenn ich SPD Mitglied wäre, würde ich mich vor einem solchen Tod am meisten fürchten. Denn dann müsste ich die staatspolitische Verantwortung und alle zukünftigen Wahlkonsequenzen auch für die Politik tragen, die andere Parteifremde mit ihrer Übermacht oder Uneinsichtigkeit verzapfen. Dann gilt uU mitgegangen - mitgefangen und für die Erfolge oder die Machterhaltung der CDU/CSU wird im Zweifel ja keine andere Partei von der Bevölkerung gewählt. Das hat doch die Wahlniederlage der FDP deutlich gezeigt. Insoweit gibt auch das veränderte Wahlrecht Anlaß zum Umdenken.
Aus meiner Sicht werden alle kleineren Parteien (SPD, Grüne und auch Linke) zunächst intern darüber abstimmen, was sie nach der Wahl wirklich wollen. Dann wird der wirkliche Wille - von den ich hier rede - transparent. Alles andere würde spätestens auf den Parteitagen der SPD und Grüne ins Chaos und nicht zu einer stabilen Regierung mit Realisierung der vor der Wahl angestrebten Inhalte führen. Spätestens am 22.10. (oder auf den Parteitagen) wird vermutlich langsam klar werden, wie die Machtverhältnisse im deutschen Bundestag tatsächlich verteilt sind, denn dann werden alle Demokraten offen miteinander reden und müssen Farbe bekennen, inwieweit sie an ihren Wahlversprechen festhalten oder festhalten können. Genau daran wird man sie dann messen und daran kann auch die Opposition bzw. die eigene Parteibasis sie ständig erinnern - spätestens dann, wenn Gysi die erste Gesetzesvorlage in den Bundestag einbringt, die exakt aus dem Wahlprogramm der SPD oder Grünen abgeschrieben oder damit kompatibel ist.
Und ja, die Union muss endlich begreifen, daß sie die Wahl verloren hat. Im Deutschen Bundestag herrschen jedenfalls andere Verhältnisse als im Bayrischen Landtag. Seehofer und viele seiner Parteifreunde scheinen das im Wahlerfolgsrausch noch nicht geschnallt zu haben, weil die anderen viel zu brav waren und scheinbar aufgrund der Wahlniederlage auch das nötige Selbstbewußtsein noch nicht haben. Ein Schröder, Schmidt oder Brandt hätte eine vergleichbare Wahlsituation aus meiner Sicht wesentlich anders gehandelt und sich bereits relativ zeitnah nach der Wahl zum Wahlsieger erklärt.